Welzheim

Rede zum Kreispflegeplan 2022 durch Philip Köngeter

Sehr geehrter Herr Landrat Dr. Sigel,

Sehr geehrte Damen und Herren Kreisräte,

die Zahl der Pflegebedürftigen steigt schneller, als das Personal nachkommt. Das dürfte mittlerweile allen klar sein. Der Kreispflegeplan und so gut wie jeder andere Bericht aus Deutschland zeigt diese Dynamik drastischer denn je: Bis zum Jahr 2030 werden wir allein im Rems-Murr-Kreis einen Mehrbedarf an stationären Pflegeplätzen von ca. 50 % haben. Eine unglaubliche Zahl finde ich und es ist nur eine von vielen. Klar ist, wir brauchen mehr Pflegekräfte, denn nur ein enormer Zuwachs an Personal kann den bereits jetzt bestehenden Pflegenotstand lösen. Hier vermisse ich derzeit konkrete Vorschläge, denn dort müssen wir am dringendsten ansetzen. Attraktive Ausbildungsplätze sind nötig. Zusätzliche Anreize müssen dafür geschaffen werden, z. B. günstiger Wohnraum während der Ausbildung und danach, sei es in einer WG oder kleinen Wohnung der Kreisbau, denn die Konkurrenz auf dem Ausbildungsmarkt für andere Berufe ist gigantisch. Außerdem müssen wir es schaffen, die Ausbildung im Pflegebereich vor allem auch Menschen aus anderen Nationen schmackhaft zu machen, der Kreis sollte sich also für einen vereinfachten Zugang zu diesem Berufszweig und für Bleibeperspektiven einsetzen, wenn die Pflege als Ausbildung und Beruf gewählt wird. Wer, wenn nicht die öffentliche Hand soll sich um solche Anreize kümmern? Wir können und dürfen nicht warten, denn meine Damen und Herren, auch wir werden alle nicht jünger. Vielleicht sollte der Kreispflegeplan übrigens nicht Drei D, sondern Drei G heißen: gut für die Angehörigen, gut für Pflegebedürftige und Patienten und gut für die Pflegenden. Wichtig ist, dass gute Pflege nicht arm machen darf, auch die Pflegenden nicht. Abgesehen von der Bezahlung der Pflegekräfte kommt es mir auch auf Wertschätzung, Flexibilität und Verständnis an. Es sollte wieder selbstverständlich sein, dass es beispielsweise eine funktionierende Dienstplangestaltung gibt, eine alleinerziehende Mutter nicht den Spätdienst übernehmen muss, Wochenenddienste gerecht verteilt sind und ‚frei haben‘ auch freihaben bedeutet. Dies sind Beispiele, die auch dafür sorgen können, dass sich eine Abwanderung von Pflegekräften aus ihrem Beruf abschwächt oder sogar abwendet. Aber unbestritten ist ja auch, dass wir dies jetzt schon nicht schaffen, weil es schon jetzt an Personal in der Pflege fehlt. Studien zur Personalbedarfsbemessung schätzen schon heute einen nötigen Mehrbedarf von 36 Prozent allein in der vollstationären Pflege. Gute Pflege bräuchte also schon heute ein Drittel mehr Personal – darum gibt es ja vielerorts die kaum mehr zu stemmende Arbeitsverdichtung. An den Krankheitstagen zeigt sich, dass die Pflegekräfte derzeit schnell ausbrennen.  Dem TK-Gesundheitsreport zufolge sind 2021 Pflegekräfte im Schnitt bis zu 25,8 Tage im Krankenstand. Der allgemeine Krankenstand ist dagegen auf 13,9 Tage gesunken – trotz Corona!

Für mich ist wichtig, dass wir in vier Jahren sehen, es hat sich was getan, und zwar in allen Bereichen, in der stationären, ambulanten oder auch familiären Pflege und im Behindertenbereich. Aber dafür muss eben auch Geld in die Hand genommen werden. Noch eine Anmerkung an den Satz „Schuster, bleib bei deinem Leisten!“ aus der CDU Rede.. Wir wollen heute noch beim Thema Wasserstoffproduktion einsteigen, bestimmt auch kein Thema des Kreises, warum sollen wir uns dann nicht in der Pflege einmischen? Der private Markt allein wird es nicht richten!

Philip Köngeter